Weihnachtsgeschichten
Adventsgeschichte für Senioren
Helga fürchtet sich vor der Weihnachtszeit. Vor etwa zehn Monaten starb ihr Mann, so dass sie das Weihnachtsfest in diesem Jahr wohl zum ersten Mal alleine verbringen muss.
Ihre einziger Sohn ist längst erwachsen und wohnt weit weg. Er hat lange Zeit Medizin studiert und schließlich eine attraktive Anstellung in einem Krankenhaus ganz oben im Norden gefunden. Dort hat er auch seine Frau kennengelernt: Helga hat die Hochzeit noch gemeinsam mit ihrem Mann besucht, denn zu dieser Zeit war er noch gesund. Nun ist Georg nicht mehr da und ihr Sohn Tim wurde vor vier Wochen Vater eines kleinen Mädchens. Dem Baby zuliebe wollte die junge Familie auf die lange Reise zur Mutter und Oma verzichten. Das kleine Enkelkind hat Helga bisher nur auf Fotos gesehen.
Helga sitzt gedankenverloren vor ihrer mittlerweile leeren Kaffeetasse. Heute ist der erste Adventssonntag, aber ihr ist gar nicht weihnachtlich zumute. Noch nicht einmal einen Adventskranz hat sie besorgt: Zu traurig sind die Erinnerungen an die harmonische Vorweihnachtszeit, als die Familie noch zusammen war. Sie hat in der letzten Zeit oft darüber nachgedacht, ihre Wohnung aufzugeben und in ein Altersheim zu ziehen. Ihre Knochen spielen schon seit einigen Monaten nicht mehr mit, manchmal kann sie vor lauter Schmerzen die Hausarbeit nicht mehr erledigen.
Traurig schaut sie aus dem Fenster. Dort, unter dem alten Apfelbaum, hatte sie oft gemeinsam mit Georg auf einer Bank gesessen. Sie strickend, er seine geliebte Pfeife stopfend. „Nie wieder wird es so sein“, denkt Helga wehmütig. An manchen Tagen sind Pippo und Pina, ihre beiden Wellensittiche, die einzigen Lebewesen, die sie zu Gesicht bekommt, denn ihre Einkäufe erledigt sie meist alle an einem einzigen Tag. Die restlichen Tage der Woche verbringt sie meist vor dem Fernseher: So kann sie die Einsamkeit wenigstens einigermaßen ertragen. Mit Tim und seiner netten Frau Sarah hat sie zwar regelmäßig telefonischen Kontakt, aber bei den kurzen Gesprächen bleiben natürlich viele Dinge unausgesprochen. Helga bemüht sich am Telefon jedes Mal, heiter und ausgeglichen zu klingen: Dass sie oftmals kaum die Tränen zurückhalten kann, soll niemand merken.
Helga seufzt und räumt die Kaffeetasse in die Spülmaschine. Dann schaut sie auf die Uhr: Gleich Mittagszeit, also müsste bald eigentlich das Telefon klingeln, denn Tim und Sarah riefen bisher jeden Sonntagmittag an. Sie setzt sich eine Weile vor den Fernseher und schaut sich einen alten Heimatfilm an. Wie schön, dass am Wochenende so oft die herrlichen alten Filme wiederholt werden! Während sie zusieht, wie Rudolf Prack seiner Angebeteten eine Rose überreicht, merkt sie gar nicht, dass ihre Augen immer schwerer werden. Schließlich schläft sie ein.
Nach einer ganzen Weile wird Helga wieder wach und schaut verwirrt auf den laufenden Fernseher. Der Film ist längst vorüber, also muss sie eine längere Zeit geschlafen haben. Die Uhr zeigt bereits halb drei. Und Tim hat immer noch nicht angerufen. Seltsam. „Aber vielleicht besucht er ja mit seiner kleinen Familie den Weihnachtsmarkt“, denkt sie, „dabei hat er sicher nicht mehr an mich gedacht.“
Schwerfällig erhebt sie sich aus ihrem Sessel und reibt sich die müden Knochen. Schließlich geht sie in die Küche und bereitet sich ein belegtes Brötchen zu. Oft fehlt ihr einfach die Kraft, um eine richtige Mahlzeit zu kochen. Das Brötchen ist vom Vortag und schmeckt schon ziemlich zäh. Helga beißt einmal hinein und lässt es dann in der Biotonne verschwinden. Dann schaut sie zu, wie sich die beiden bunten Wellensittiche gegenseitig mit dem Schnabel liebkosen. „Ihr zwei seid nie alleine, das ist schön“, denkt sie betrübt.
Ob sie mal die Telefonnummer ihres Sohnes wählen soll? Normalerweise war er es immer, der angerufen hat und nicht umgekehrt. Vielleicht musste er ja auch zu einem medizinischen Notfall ins Krankenhaus? Aber dann hätte sich Sarah doch melden können! Oder ist mit der kleinen Laura womöglich etwas nicht in Ordnung?
Helga läuft unruhig in ihrer Wohnung auf und ab. Der Fernseher läuft noch immer, ein Kinderchor singt gerade Adventslieder. Helga kann sich zu keiner Beschäftigung entschließen und blättert unschlüssig in der Sonntagszeitung. Auch dort drehen sich beinahe alle Themen um Weihnachten und die Adventszeit.
Es dämmert schon langsam, als es an der Tür klingelt. Erschrocken zuckt Helga zusammen, denn sie erwartet keinen Besuch. Schnell streicht sie sich die Haare glatt und läuft zur Tür. Als sie öffnet, kann sie ihren Augen kaum trauen: Da steht Tim und grinst sie spitzbübisch an, in der einen Hand hält er einen kleinen Adventskranz und in der anderen Hand eine Schüssel mit duftenden Weihnachtsplätzchen. Helga bringt kaum ein Wort hervor, so verblüfft ist sie. „Wo kommst Du denn her?“
Noch immer grinsend geht Tim in ihr kleines Wohnzimmer und streckt seine Glieder. „Fast vier Stunden bin ich gefahren, die Autobahnen sind komplett dicht! Scheinbar besuchen heute alle Menschen ihre Verwandten!“. Helga ist noch immer fassungslos, dann geht ein Ruck durch ihren schmächtigen Körper und sie drückt ihren Sohn an sich. „Warum hast Du denn nicht Bescheid gesagt? Und wo sind Sarah und die Kleine?“ Schmatzend drückt sie Tin einen dicken Kuss auf die Wange.
„Ich will ja gar nicht lange bleiben“, erwidert er und sieht sie verschmitzt an. „Genaugenommen will ich Dich auch nur abholen!“. Helga bekommt den Mund gar nicht mehr zu und vergisst fast, ihm einen Kaffee anzubieten. Den Adventskranz und die Plätzchen hat er bereits auf ein Tischchen gestellt.
Nach einer Weile ist endlich klar, was los ist und Helga weiß gar nicht, was sie sagen soll, so glücklich ist sie. Sie erfährt, dass Tim und Sarah ein großes Haus im Norden gekauft haben und dass sie den Plan gefasst haben, Helga zu sich zu holen. Jetzt, in der Adventszeit, soll sie zunächst mal schauen, wie es ihr in der neuen Heimat gefallen würde. Nach Silvester würde Tim sie wieder zurückbringen, aber nur, um ihr dabei zu helfen, die Wohnung zu kündigen und ihre Sachen zu packen.
Helga kann es kaum abwarten, loszufahren und ihr kleines Enkelkind endlich in die Arme zu schließen. Auch auf ihre nette Schwiegertochter freut sie sich. Sie nimmt den Käfig mit den bunten Wellensittichen und steigt zu Tim ins Auto.
-
Weihnachtsgeschichtenvor 13 Jahren
Kurze Weihnachtsgeschichte für Erwachsene
-
Weihnachtssprüchevor 11 Jahren
Weihnachtssprüche für die Eltern
-
Weihnachtssprüchevor 12 Jahren
Sprüche zum Wichteln
-
Weihnachtssprüchevor 10 Jahren
Weihnachtssprüche für die Enkelkinder
-
Weihnachtsgedichtevor 13 Jahren
Weihnachtswünsche für Erzieherinnen
-
Weihnachtswünschevor 12 Jahren
Weihnachtswünsche für den Chef
Neue Kommentare