Weihnachtsgeschichten
Weihnachtsgeschichte für Erwachsene
Es schneite bereits seit Tagen. Elisabeth mochte gar nicht aus dem Haus gehen, denn es war eisig glatt und fast unmöglich, ohne Rutschgefahr über die Straßen zu gehen. Heute musste es jedoch sein, denn sie wollte Geschenke kaufen, Geschenke für all die Menschen, die ihr nahe standen.
Elisabeth schaute vom Fenster aus in den Himmel: Er war verhangen, aber die Wolken jagten über das Firmament, eine fahle Sonne lugte manchmal zaghaft hervor. Neuen Schnee hatten sie angesagt für heute, und Elisabeth war froh, mit Bus und Bahn zu fahren und nicht mit dem Auto. Allerdings musste sie erst einmal zur Bushaltestelle kommen, so rutschig, wie es war.
Elisabeth zog ihren hellen, warmen Mantel an, ließ ihre Füße in warmen Wildlederstiefeln verschwinden, setzte sich noch Ohrschützer auf, band den Schal um und zog die Tür hinter sich zu.
Wenn man sie so sah, wirkte sie heiter und recht entspannt, doch die Fassade täuschte. Elisabeth war jetzt Mitte 40, ihre Kinder hielten sich gerade beim Vater auf, von dem sie schon seit längerer Zeit geschieden war. So manches Mal zweifelte sie, ob sie überhaupt lieben konnte, denn bisher hatte sie in noch keiner wirklich stabilen Beziehung gelebt.
Sie schaute aus dem Fenster der Bahn: Wie schön, all der Weihnachtsschmuck da draußen! Es hatte zu schneien begonnen, und instinktiv kuschelte sich Elisabeth noch ein bisschen mehr in ihren Wintermantel.
Ihre Gedanken flogen wieder einmal zurück in die Vergangenheit. Vor zwei Jahren, da hatte sie die glücklichsten und intensivsten Momente ihres Lebens gelebt, kurz, ganz kurz war die Zeit mit Piet gewesen, ein Wimpernschlag lang – und dann kam sie, die allerschlimmste Zeit ihres bisherigen Lebens…
Diese Liebe, sie durfte nicht sein, es gab eine andere Frau, und so ging sie zu Ende, noch bevor sie wirklich angefangen hatte.
Doch in dieser ungeheuer kurzen Zeit hatte sie das Leben und die Liebe gespürt in einer nie gekannten Intensität, wie einen Rausch war es, doch mit klarem Bewusstsein, und als es vorbei war, fühlte sich Elisabeth, als hätte man ein Stück aus ihr heraus geschnitten!
Sie wusste, dass sie loszulassen hatte, doch Piet war immer noch in ihrem Herzen, hatte dort Platz genommen, und so umgab Elisabeth dieser ständige Hauch von sanfter Melancholie…
Sie lebte ein aktives Leben, ging ihrer Arbeit mit Freude nach, war für ihre Kinder da – aber manchmal zerriss es sie immer noch, auch jetzt noch, nach mehr als zwei Jahren. Der Schmerz war nicht mehr so scharf, sondern dumpfer, aber er meldete sich mit schöner Regelmäßgkeit immer wieder.
Elisabeth glaubte daran, dass es eine höhere Macht gibt, Engel, die sie beschützen. Sie sprach mit ihrem ganz persönlichen Schutzengel und hatte schon so oft seine Hilfe erfahren dürfen. Nur in der Sache mit Piet war sie immer noch nicht so richtig weiter gekommen, sie wollte endlich keinen Schmerz mehr, es sollte vorbei sein, jetzt und für immer! Und so betete sie wieder einmal still und inbrünstig zum lieben Gott und ihrem Engel, dass er doch die Trauer von ihr nehmen möge, denn sie hatte doch wirklich über alles reflektiert, immer wieder ein Stück mehr verarbeitet – und jetzt sollten doch bitte Frieden und Ruhe in ihr Herz einkehren!
Es dämmerte bereits, als sie sich langsam der Stadt näherte. Bald würde sie aussteigen. Doch dann, als der Zug das nächste Mal hielt, stieg ein junger Mann ein. Er trug eine Mütze, die fast sein ganzes Gesicht verdeckte, aber nur fast: In dem Augenblick, in dem er den Zug betrat, sah er sie direkt an, und seine Augen schauten tief in die Seele der traurigen Frau. Der junge Mann holte seine Gitarre hervor und blieb direkt vor ihr stehen. Elisabeth schaute abwechselnd auf sein Gesicht und aus dem Fenster hinaus, denn sie hatte einen Kloß im Hals und konnte sich ihrer Tränen nicht mehr erwehren…
Dabei hatte der Mann noch nicht einmal angefangen zu spielen! Der 2. Advent stand vor der Tür, überall war buntes, vorweihnachtliches Treiben, „Jingle Bells“ und andere bekannte Lieder erklangen auf den Straßen – und hier, in der Bahn, stand ein junger Mann vor Elisabeth, den sie noch nie gesehen hatte und der sie in ihren Bann zog, allerdings in einen Bann, der mit den Gefühlen, die Mann und Frau normalerweise füreinander hegen, rein gar nichts zu tun hatte!
Und dann sang er. „Bridge over Troubled Water“ von Simon and Garfunkel. Ein Lied, das sie so lange nicht gehört hatte und das ihre bereits locker sitzenden Tränen endgültig zum Fließen brachte. Ein Lied, das davon handelt, dass jemand für den anderen da ist, ganz gleich, was auch passiert…
„It’s Christmas, Darling“, flüsterte der junge Mann Elisabeth zu, nachdem er geendet hatte, „alles ist jetzt gut, du wirst deinen Frieden endlich finden.“ Ihr fiel der amerikanische Akzent des jungen Mannes auf, und dadurch wirkten seine Worte noch weicher und liebevoller.
Elisabeth wusste nicht wirklich, was mit ihr geschehen war, aber eine tiefe Ruhe hatte sich in ihr Herz gesenkt. Sie wollte noch antworten, aber da war der junge Mann schon weiter gegangen und stimmte jetzt ein weihnachtliches Lied an. Und als sie sich noch einmal umdrehte, war er verschwunden, wie aufgelöst im Nichts…
Elisabeth saß wie betäubt da, fühlte sich aber gleichzeitig glasklar und federleicht. Die Tränen, die ihr über das Gesicht gelaufen waren, versiegten, sie schnaubte noch einmal die Nase und stieg an der nächsten Station aus.
Es war immer noch glatt, mittlerweile dunkel, und so vielfältige Gerüche strömten Elisabeth in die Nase, es war einfach herrlich! Gebrannte Mandeln, Bratwürstchen, Punsch – all das verzauberte Elisabeth, und sie sog genießerisch all die verschiedenen Düfte ein.
Ohne zu überlegen, war sie mitten auf dem Weihnachtsmarkt gelandet!
Was war nur genau mit ihr geschehen? Sie strahlte um die Wette mit all den glitzernden Lichtern und lachenden Kindergesichtern. Es war kalt – na und? Auch die Glätte machte ihr nichts mehr aus, all das gehörte doch zum Winter und der Weihnachtszeit dazu! Leicht fühlte sich Elisabeth, frei von traurigen Gedanken. Immer wieder sah sie die dunkelblauen Augen des jungen Sängers vor sich und wie er tief in die ihren hinein geschaut hatte!
Es muss einfach so sein, dachte Elisabeth, es muss so sein, dass ich einem Engel auf Erden begegnet bin! Und all meine Traurigkeit ist wie von Zauberhand verschwunden, einfach weg!
„Oh, lieber Gott, ich danke dir so sehr aus ganzem Herzen“, murmelte Elisabeth halb laut vor sich hin. „Nichts habe ich mir so sehr gewünscht, als dass endlich alles Traurige von mir abfällt und diese ganze Geschichte mit Piet wirklich verarbeitet und beendet ist!“
Elisabeth breitete die Arme aus, atmete tief ein und verspürte plötzlich einen Bärenhunger! Mit Kartoffelpuffern und Punsch stellte sie sich an einen runden Holztisch und aß mit großem Appetit. Eine ältere Frau mit ihrer Tochter gesellten sich zu ihr, ein sympathischer Mann, und schnell kamen alle zusammen ins Gespräch.
Bald war Weihnachten! Elisabeth fühlte es mit jeder Faser ihres Seins, Wärme, Freude und neue Kraft durchströmten sie. Es war einfach herrlich!
Durch ihren ganz persönlichen Engel hatte Elisabeth bereits ihr kostbarstes und schönstes Weihnachtsgeschenk erhalten: Freude, statt Trauer, Lachen, statt Tränen, und die tiefe Gewissheit, dass sie vertrauen kann in die Weisheit des Universums.
Weihnachten stand vor der Tür, und mit viel Enthusiasmus und Liebe fand Elisabeth lauter schöne Geschenke für all ihre Lieben. Sie genoss die herrliche Weihnachtsstimmung und fühlte sich wie verwandelt.
Weihnachten – die Zeit der Wunder! Ja, ein großes Wunder, das hatte Elisabeth am eigenen Leib erfahren, gerade eben, und sie jubilierte innerlich. Niemals würde sie dieses Erlebnis vergessen!
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